Sollte bei Potenzproblemen auch das Herz abgeklärt werden?“ – Artikel Seetaler Bote

01.07.2022

Ich (m, 66 Jahre) war beim Urologen für eine Vorsorgeuntersuchung und wegen Potenzproblemen. Es wurde eine erektile Dysfunktion festgestellt. Mein Urologe möchte mich nun zu einem Herzspezialisten zuweisen. Ich bin Raucher und Diabetiker, aber ich habe eigentlich keine Herzbeschwerden. Wieso muss ich zum Kardiologen?

Potenzprobleme treten mit zunehmendem Lebensalter zwar häufiger auf, sind aber keineswegs als normal zu werten. Bei über 60jährigen Männern kommt es bei ca. 50% zu einer sogenannten erektilen Dysfunktion: Es besteht also eine Störung der Erektion. Ursächlich können neurologische oder hormonelle Störungen oder auch Erkrankungen der Prostata sein. Auch Medikamente (z.B. Beta-Blocker) können das Auftreten einer erektilen Dysfunktion begünstigen. Bei 50-60% der Patienten ist die Ursache aber durch Durchblutungsstörungen begründet, welche durch Cholesterin- und Kalkablagerungen an den Blutgefässen des Penis auftreten können. So können die Schwellkörper nicht mehr ihre volle Funktion ausüben. Faktoren wie Alter, Bluthochdruck, hoher Cholesterinspiegel wie auch Diabetes oder Rauchen schädigen die Blutgefässe im ganzen Körper und führen gleichsam zu „Verstopfungen“ der Blutleitungen (Fachbegriff Atherosklerose).

Eine erektile Dysfunktion kann somit ein erstes Warnsignal für eine relevante Atherosklerose sein.

Es ist durch Studien gut belegt, dass bei ca. 50% der Patienten mit einer erektilen Dysfunktion gleichzeitig auch Durchblutungsstörungen am Herzmuskel vorliegen. Besonders Diabetiker sind hier betroffen. Bei diesen Patienten ist das Risiko für Herzinfarkte sogar um 60% und für Schlaganfälle um 40% im Vergleich zu gesunden Männern erhöht. Die Erektionsstörung tritt dabei je nach Studie bereits 2-5 Jahre vor einer Herz-Kreislauferkrankung (z.B. Herzinfarkt) auf. Somit kann eine Erektionsstörung auch als frühzeitiges Warnsignal verstanden werden.

Stellt der Urologe also eine Durchblutungsstörung als wahrscheinlichste Ursache einer erektilen Dysfunktion fest, wird der Patient auch zu einer kardiologischen Vorsorgeuntersuchung zugewiesen, um das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen besser einschätzen zu können. Beim Kardiologen werden ein Herzultraschall sowie ein Belastungstest (Velotest) durchgeführt. In ausgewählten Fällen kann auch eine direkte Darstellung der Herzgefässe mittels Computertomografie erfolgen. Auch eine Ultraschalluntersuchung der Halsschlagader kann sinnvoll sein.

Eine kardiologische Abklärung ist dann aber auch im Hinblick auf die Therapie mit Potenz fördernden Wirkstoffen (z.B. Viagra) sinnvoll. Nicht alle Herzpatienten sollten mit diesen Medikamenten behandelt werden. Eine gute Zusammenarbeit zwischen Urologen und Kardiologen ist bei hier von grosser Bedeutung. In jedem Fall sollte dann auch eine Optimierung des Lebensstils (Gewichtsreduktion, Nikotin-STOP, Cholesterinoptimierung,…) erfolgen.

Falls Sie also anhaltende Potenzprobleme bemerken, so sollten Sie dies unbedingt mit Ihrem Hausarzt bzw. Urologen besprechen. Allenfalls sind dann auch eine kardiologische Abklärungen angezeigt.

 

PD Dr. med. Georg Fröhlich

 

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